Sonntag, 8. Juli 2007
Erste Erkenntnisse
Als ich die ersten Tage wieder zu Hause war, kam immer Mal wieder die Frage nach den Erkenntnissen, die ich gesammelt habe.

Ich habe immer geantwortet, dass es nicht so schnell geht. Das ich einiges erlebt habe, aber dass es noch Zeit braucht sich zu setzen.

Wenn ich jetzt mal so meine Erkenntnisse versuche einzusammeln dann möchte ich hinzufügen, dass das alles noch sehr frisch ist. Und noch nicht fertig ist und sein kann. Es kommt langsam und dosiert. Wie es wohl am besten für einem ist.
Dabei fällt mir ein, dass Kerkeling den Weg auch 2001 schon gelaufen ist und soweit ich weiß jetzt 2006 erst das Buch rausgebracht hat. Das nebenbei.

Also nun die Erkenntnisse:

* Alles ist gut, so wie es ist.

Erwähnte ich bereits. Und in einem Moment des Weges war es so. Es war alles ganz klar. Es war alles so gut wie es war. Ich durchblickte scheinbar für einen Moment "das alles". Es war vom Herzen her stimmig. Später war es wieder weg. Und nun kann ich wieder nur erahnen, dass es so stimmt.
Aber in diesem einen Moment war es da....


* Die Schmerzen vergißt man schnell.

Ein körperlicher Aspekt. Ja, die Quälerei des Tages ist am Abend schnell vergessen und die Ruhe genießt man dann wohl auch mehr.
Ein weiblicher Kommentar dazu: "Das ist wohl wie bei der Geburt." Ja.... könnte sein ;)
Außerdem war ich immer wieder verblüfft wie schnell sich der Körper wieder erholt. Das hat mich wirklich beeindruckt.

...

Ich will hier erstmal aufhören. Ich denke ich schreibe hier weiter die nächsten Tage. Immer Mal wie es mir in den Sinn kommt und wie sich neue Erkenntnisse in mein Bewußtsein einweben.

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Mittwoch, 4. Juli 2007
Tag5-Fr.: Engetried - Bad Grönenbach
Es ist kurz nach 7:00 Uhr als ich völlig entspannt aufwache. So spät wollte ich eigentlich nicht los. Egal.
Der letzte Tag. Ich glaube ich werde den ganzen Tag das „Champs Elysee“-Lied singen. An die Radprofis bei der Tour de Francs denken, die den letzten Tag ganz locker ausklingen lassen und nicht mehr groß angreifen.

Bin gestern von der 2-Socken-Strategie auf die 1-Socken-Strategie umgestiegen und bleibe heute auch dabei. Keine Ahnung was besser ist. Oder ob man dort oder dort besser vor Blasen geschützt ist. Die fünf aufgestochenen Blasen von gestern Abend sind gut verheilt.

Ich packe, gehe frühstücken, unterhalte mich gut mit dem Wirt über Wanderungen und verlasse gegen 8:20 Uhr das Haus. 400m weiter am Ortsschild fängt es an zu regnen. Ich überlege kurz, wäge wieder ab und kehre schließlich um.

Wieder beim Wirt angelangt spendiert dieser mir einen weiteren Kaffee und gibt mir die Memminger Zeitung zu lesen. Eine Frau kommt dazu. Ich weiß nicht ob es seine ist. Wir unterhalten uns sehr nett.

Um 9:20 Uhr wird es hell und der Regen hört auf. Ich verabschiede mich ein zweites Mal und ziehe los. Es geht gleich steil bergauf. Der Wirt hatte mir erklärt wie ich wieder auf den Jakobsweg komme. „Du gehst hoch über Ehheim, dann bist du wieder drauf.“ Ich denke mir: Gut, ich will eh heim! ;)

Nach einer halben Stunde fängt es wieder an zu regnen. Besserung auch überhaupt nicht in Sicht. Er regnet sich ein. Wenigstens kommt jetzt auch mal mein neues Regencape zum Einsatz. Hoffe der Rucksack ist dicht.

Ich muss genau planen, was wohin kommt. Foto wasserdicht, Laufplan wasserdicht. An drei Weiden mit Kühen bleibe ich stehen, weil sie mich spontan alle ankucken. Nach dem Motto: „Was machst du denn bei dem Wetter hier?“, drehen sich alle nach mir um. Ich knipse drei schöne Bilder, lösche später aber wieder zwei, weil ich Platz auf meinem internen Speicher brauche und immer noch keine Speicherkarte gefunden habe.

Ich laufe und laufe. Und es regnet und regnet. Endlos.

Ich will auf die Uhr schauen, da merke ich, dass ich keine mehr habe. Irgendwo verloren gegangen in den letzten beiden Tagen. Egal. Werbegeschenk vom Vater. Hat mir nützliche Dienste erwiesen, aber den einen Tag komme ich jetzt auch ohne klar.

Aus dem Nichts wiedermal kommt plötzlich eine Bushaltestelle. Pures Glück! Ich kann kurz durchschnaufen und feststellen, dass der Rucksack wirklich dicht ist. Scheint so. Kann aber passieren, dass seitlich was reinläuft. Ich muss aufpassen.

Sowieso immer aufpassen. Man muss den ganzen Weg ständig alles bedenken. Sonst bekommt man am Abend die Quittung. Und abends will ich doch entspannen und Füße hochlegen. Da nervt alles andere nur, was man zusätzlich macht.

Gut. Es geht weiter. Regen, Regen, Regen. Laufen, Laufen, Laufen. Der Plan wird langsam nass und unleserlich. Nach 2 Stunden erreiche ich Ottobeuren. Ein größerer Ort. Alle möglichen Geschäfte: Bäcker, Döner, Gastwirtschaften, Rathaus… Ich komme zurück in die Zivilisation. Freude. Wo gab´s das alles zuletzt?

Oh, es hat aufgehört zu regnen. Hatte ich gar nicht bemerkt. Ich fotografiere vom schönen Dorfplatz aus die wunderschöne Basilika und gehe anschließend hinein. Bei einer Führung kann ich ein wenig mithören. Wahnsinnig schöne, aufwendige Kirche.

Ich verlasse sie nach einer halben Stunde und es regnet wieder heftig. Mist!
Am letzten Tag finde ich jetzt endlich ein Fotogeschäft, dass mir eine Speicherkarte für meinen Foto verkaufen will. Ich fasse es nicht. Endlich!
Der Preis stimmt allerdings nicht. Bin halt im Fotogeschäft und nicht im Elektroladen. Jetzt ziehe ich es eben ohne Karte durch und lehne dankend ab.

Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher. Auf dem Plan steht nicht mehr viel. 1-2 Sätze ohne km-Angabe. Wenn ich täglich die Mitte des Planes abgearbeitet hatte, konnte ich mich drauf verlassen auch etwa die Hälfte des Weges zurückgelegt zu haben. So grob zumindest. Jetzt nur noch 1-2 Sätze?!

Und oben steht heute drüber „3h“. Also 3 Stunden Laufzeit?! Sonst war da nie eine Angabe. Was soll das? Habe ich nur noch eine Stunde vor mir? Hatte ja gestern evtl. schon mehr gelaufen zum nächsten Ort und dann jetzt keine großartige Beschreibung mehr?
Ich bin nun 2 Stunden unterwegs. Heißt das ich muss wohl noch eine Stunde, max. zwei Stunden (wohlwollend geschätzt) laufen? Vermutlich.

Ich habe Hunger. Ottobeuren bietet einiges an. Warum nicht nach zwei Tagen mal wieder zu Mittag essen. Warum! Jawoll! Gasthaus. Ich bestelle Tortellini mit Hackfleischsoße. Genau richtig. Nicht zu klein und nicht zu mächtig. Ich merke wie ich völlig durchnässt bin. Meine Regenjacke hängt direkt 2m weiter am Haken.

Was ist das denn??? Da kuckt ein Teil raus, was ich nicht kenne. Ich gehe zur Jacke und schaue. Ach du Schande! Dieses weiße Plastikteil Diebstahlsicherung von Karstadt. Natürlich. Ich erinnere mich wieder wie ich letzte Woche beim Kaufhaus-Verlassen ein Piepen wahrgenommen habe. Ich blieb kurz stehen und dachte es war jemand anders. Au Backe! Das Ding ist aber bezahlt… ehrlich! ;)

Als ich fertig essen bin, frage ich den Wirt noch mal nach dem Weg. Der nimmt mich mit in die Küche um mir einen Plan zu zeigen. Sagt aber schon beim Hinlaufen, dass es noch 12 km sind. „Was?????????“. Ich denke ich höre nicht richtig. Das sind ja dann noch 3 h statt 1h Marsch. Das darf nicht wahr sein. Ich sehe den Plan und glaube ihm.

Der Regen wird stärker. Hilft nichts. Ich will ans Ziel. Dachte auch einen Moment ein anziehendes Gewitter kommen zu hören. Dann aber nur noch kräftiger Schauer. Ich ziehe los. Es regnet durchweg. Ich laufe und laufe. Durch Wälder, auf Landstraßen und Feldwegen. Bin vollkommen durchnässt. Die Schuhe quatschen schon schön. Na ja, der letzte Tag. Wäre ja auch nichts Richtiges, wenn ich ohne Kampf ins Ziel gelange.

Also kommt es auch richtig heftig. Es wird schlammiger und richtig ungemütlich. Der Weg geht wieder in den Wald. Der Durchgang ist gerade so für einen Mann freigeschnitten. Es geht lange durch hohe Bäume, Dickicht und nun auch berauf. Viel glitschiges Holz im Untergrund was den Boden richtig rutschig macht.
Die Radfahrer, die hier lang müssen werden richtig fluchen. Die Armen.

Nach einiger Zeit geht es im Wald wieder auf „normale“ Wege. Schmerzen sind natürlich auch immer da. Ich nähere mich dem Ziel, obwohl ich nicht weiß, wo ich genau bin. Die Jakobsmuschel ist aber immer am Weg. Also kann ich nicht falsch sein.

Erste Gedanken über die Zielankunft und ein mögliches Foto kommen mir in den Sinn. Beider Hände hoch? Weiß nicht so recht… Eine schöne Fototafel für mein Büro. Das wäre wirklich was Feines. Zielgradengedanken eben.
Es geht noch mal berab im Wald. Wenn ich hier raus bin, muss bald ein Ort kommen. Ich lasse mich treiben… berab. Werde schnell und schnell. Jogge jetzt sogar den Berg runter. Nach 200 m liegt ein Baum quer. Ich muss wieder aufhören. Da! Endlich das Waldesende.

Und ein Ort in Sicht. Ich bin ewig gelaufen. Das kann nur Bad Grönenbach sein. Bin mir aber äußerst unsicher. Ich nähere mich gespannt. Kein Mensch auf der Straße. Ich komme in den Ort. Kein Ortsschild. Gleich links die Kirche. Die steuere ich an. Endlich eine Menschenseele. Ein Pärchen belädt sein Auto für einen Urlaub scheinbar. Ich frage sich nicht, ob es Grönenbach ist. Da, ein Geschäft. Klein. Letzte Zeile:… Postleitzahl + Bad Grönenbach. Na also doch!? Wobei die PLZ nicht unbedingt dann auch den Ort wiedergibt. Im gleichen Moment sehe ich die Anzeigentafel vor der Kirche… Gemeinde XY. Also doch nicht!? Ist ja aber nur die Gemeindeangabe…. Dann einzelne Aushänge. 2 x Bad Grönenbach. Na also doch. 1x ein anderer Ort.

Bin noch unsicher. Aber irgendwie bin ich da. Es kann nur so sein. Eine kleine stille unspektakuläre Ankunft. Ja. Irgendwie passt ein wenig. Ich gehe in die Kirche. Habe es geschafft.
Nehme Platz in der Bank und lass alles fallen. Geschafft!!! Ich bin alleine. Das heißt fast. Oben putzt jemand. Ich sitze eine halbe Stunde und bin innerlich still und glücklich. Eine ältere Dame kommt jetzt oben runter und grüßt freundlich.

Ich verlasse nach einer halben Stunde die Kirche. Jetzt noch ein Gasthaus und Zimmer finden, dann ist alles perfekt. Die ganzen Straßen hier sind aufgerissen. Es läuft sich nicht gut. Ich entdecke hier und da Häuser, die Gaststätten sein könnten, aber doch klein sind. Ich laufe weiter. Wird schon noch was kommen. Am Ende des Ortes ist nichts mehr.

Ein Auto kommt. Ich halte es an. „Wo kann ich hier übernachten?“. „Oh, ich glaube bei uns jetzt nirgendswo. Es ist schlecht in unserem Ort.“. Na toll. Musste ja kommen. Neeeeeeeeeeeeeeein! Ich habe es satt!!!
„Wo muss ich hin?“ – „Vielleicht nach Bad Grönenbach.“ – „Waaaasss?“ – „Bin ich nicht hier in Bad Grönenbach?“ – „Hier? Nein, das liegt 5 km entfernt.“

Ich bin sprachlos. Erschöpft und sprachlos.
„Danke“ – „Wir können Sie mitnehmen“ – „Nein, das geht nicht. Danke!“

Ahhhhhhhhhhhhhhhh!.... Hilfe. Ich eiere weiter. Setzte mich noch mal am Dorfausgang wo sich die Straße gabelt. Eine Frau hält mit dem Auto an. Ich frage nach meinem Zielort. Sie sagt, dass sind noch 6 km. Oh Gott. Das wird ja immer mehr. Ich frage jetzt keinen mehr. „Ich kann sie aber ein Stück mitnehmen.“ – „Nein, das geht nicht. Danke.“

Ich laufe los. Begegne noch einer Frau mit kleinem süßen Hund, die mir den sichtbaren Kirchturm von Bad Grönenbach zeigt. Ich versichere mich 4x ob das auch der richtige ist. „Ja“, sie ist sicher. Gut. Dann 1,5 km geradeaus zum nächsten Ort und dann 4 km nach rechts. Der Jakobsweg ist mir schnurzpiepegal! Muscheln sehe ich schon lange nicht mehr.

Sie würde mich auch noch auf einen Kaffee einladen, wenn nicht… „Ja, ja.. schon gut. Danke“ Jetzt bekomme ich aber auch alles angeboten. Aber ich zieh das jetzt durch verdammt. Habe die Schnauze gestrichen voll. Und laufe schmerzverzehrt immer weiter.

Erreiche den nächsten Ort und damit die Biegung nach rechts. Immer die Kirche im Blickfeld. Aber die kommt nicht wirklich schnell entgegen. 4 km geradeaus. Ca. 1 Std. noch! Auf jetzt! Durchziehen! Ich laufe und laufe. Die Kirche gibt nicht nach. Laufen und laufen. Links Burger King! Egal.

Plötzlich rechts noch mal eine Schafherde mit einem kleinen süßen Pony. Ich streichele es kurz. Es will vermutlich noch ein wenig mehr Aufmerksamkeit. Ich muss jetzt ans Ziel. Es geht langsam weiter. Ich folge nicht. Es scheint tatsächlich beleidigt zu sein. Das darf doch nicht wahr sein. Sowas, aber auch!

Ich brech bald zusammen, will zum Zielort. Ich dreh mich noch mal um und das Pony ist weg. Ein kleiner Ausgang in einen anliegenden Wald hat es wohl verschlungen. Ich drehe mich noch 2x um sehe es aber nicht mehr.

Würde gerne noch mal 5 Minuten Pause machen. Aber es kommt keine Gelegenheit mehr. Ich laufe und laufe und schreie laut. Es ist hart. Doch ich komme an. „Bad Grönenbach“. Ich laufe jetzt noch zur Kirche, berühre die und dann ist Schluss. Basta! Sofort aufs Zimmer und Ende! Füße hoch!

Auch der Weg zur Kirch zieht sich noch mal. Doch ich komme an. Geschafft. Ich berühre die Tür und setzte mich davor auf die Treppe. Geschafft!!!! Pause. 10 Minuten. Ruhe. Stille.

Nach 10 Minuten gehe ich doch rein. Na klar. Muss schon sein. Ich bereue es nicht.
Bin tief in mir….
[Zensur]

Ich verlasse die Kirche nach ca. 30 Minuten und suche ein Zimmer. An der Kurverwaltung sagt man schon Leuten vor mir, dass es schlecht aussieht. Das kann nicht sein! Ich bekomme aber doch ein Bett im Sanatorium.

Ich bin still. Völlig erschöpft. Rette mich noch in die Dusche und ab aufs Bett. Nach zwei Stunden raffe ich mich wieder auf und gehe noch mal in den Ort. Zum einen weil ich noch meine Eltern informieren will, dass ich es geschafft habe, zum anderen, weil ich wie jeden Abend noch mit Genuss mein eines Weizenbier trinken will.

Ich komme zufrieden zurück. Steche wieder die Blasen auf und versuche möglichst wenig das Bett zu verlassen vorm Schlafengehen. Blasen sollte man grundsätzlich zum Schluss ausstechen, wie ich jetzt merke. Das Blut, das da reinschießt löst sehr heftige Schmerzen aus.

Ich schlafe nach kurzer Zeit ein.

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Montag, 2. Juli 2007
Keine Zeit...
Habe leider keine Zeit heute wieder den Tagesbericht einzustellen. Morgen weiß ich auch noch nicht sicher ob es klappt.
Spätestens Mittwoch kommt dann "Tag 5" ;)

Weiterhin viel Spass beim Lesen
:)

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