Sonntag, 1. Juli 2007
Tag4-Do.: Bad Wörishofen - ... Engetried
Ab 7.00 Uhr gibt´s heute Frühstück. Ich bin 10 vor 7 da. Das nette Mädchen, dass mir Kaffee bringt, hatte selber noch nicht fertig gefrühstückt. Tut mir ja auch leid. Etwa 7.10 Uhr kommen die Blasenpflaster drauf und los geht´s.

Mein Gott! Es geht tatsächlich weiter!!! Unglaublich eigentlich! Die Eltern, Ally und Achim haben mich gestern gar nicht ernst genommen, als ich ernsthaft vor dem Ausgeben war.

Das Wetter ist trüb, windig, gewittrich. Ich kann wieder laufen, also los! Ich gehe eh in Richtung, wo es hell ist. Wenn gestern am Toten Punkt Höchstschmerzgrad 5 war, ist jetzt 2. Lächerlich! Halt ich locker durch. Plötzlich ist wieder Stufe 3 ganz schnell da. Aua! Ich sage dauernd vor mich hin: „Ich fliege heute zum Ziel.“ Andauernd, ohne Pause. Immer wieder.

Plötzlich wumm. Wieder Stufe 5! Ich stehe sofort! Mitten im Wald. Ich kann keinen Meter mehr laufen. Null. Linker Hüftknochen. Unerträglicher Schmerz. Immer wieder die Hüfte.
Ich stehe 3-4 Minuten auf einem Fleck ohne Bewegung. Dann langsam linkes Bein vor. Geht. Rechtes auch. Schneckentempo. Nach ca. 30m laufe ich wieder schmerzverzehrt halbwegs normal. Aus dem Wald gekommen eiere ich immer noch böse.

Plötzlich taucht ein Radfahrer neben mir auf. Thomas ca. gleiches Alter wie ich. „Oh Gott, bist du verletzt?“, fragt er eilig. „Nein, ich gehe nur am Zahnfleisch.“, entgegne ich ihm leicht grinsend.
Wir kommen die nächsten 20 Minuten ins Gespräch. Er ist von weiter oben gestartet, kommt aus Augsburg und will mit dem Rad nach Lindau. Der erste Pilgerer, den ich am Weg treffe. Wir unterhalten uns über das Pilgern allgemein, die Gründe und über Hape´s Buch, das er nicht so toll fand.
Als wir uns verabschieden merke ich das ich fast wieder normal laufe und wie schnell man mit dem Rad vorankommt. Ich sehe ihn schon bald nicht mehr. Aber ich laufe tatsächlich wieder. Kaum zu glauben. Es geht immer weiter. Die Schmerzen verschieben sich jetzt in die Muskulatur der Unterschenkel. Aber nur Stufe 2-3. Aushaltbar.

Im nächsten Ort ist ein Supermarkt. Völlig überraschend. Ich kaufe Bananen und nehme mir Zeit meiner Nichte und dem Neugeborenen meines Freundes zu schreiben. Auch weil ich weiß, dass mir das zusätzliche Energie verleiht.

„Ich fliege heute zum Ziel“ war ja mein Leitspruch. Also. Ich wiederhole ihn andauernd. Anders geht´s kaum. Ich laufe, laufe und laufe. Komme jetzt wieder gut voran. Erreiche um 11.00 Uhr Köngetried. Bei einer schönen Bank im Ortszentrum –ohne Zeckengefahr- erlaube ich mir mal großzügige 20 Minuten Pause.

Ich will den Ort verlassen, da wird es dunkel und trüb. Ich warte am Ortsschild und wäge ab. Eine junge Oma mit Kinderwagen begleitet mich zurück ins Dorf. Es geht gleich los. Wir beeilen uns und bekommen schon die ersten Tropfen ab. Ich helfe den Kinderwagen mit dem Regenschutz zu überspannen. Unsere Wege trennen sich. Ich eile zur Kirche. Sie ist auf! Puh… Glück gehabt! Nur der Vorraum allerdings. Die nächsten 40 Minuten verbringe ich auch 4 x 4 Meter und lasse das mittelschwere Gewitter rasch vorüberziehen.

Ich traue mich wieder aus. Leichter Nieselregen noch. Ich laufe an einem Mann vorbei, der mich irgendwie angrinst und die Straße kehrt. 200m weiter drehe ich mich wieder um, weil der Regen kurz wieder stärker wird. Ich komme mit dem Mann ins Gespräch. Er läd mich kurzerhand zu sich in die Wohnung auf einen Kaffee ein.

Er ist Rheinländer und ca. Anfang 60. Wir reden über Weltreligionen, den Jakobsweg, Einzelgänger, Perfektionisten und Traumas. Die Frau kommt vom Einkauf nach Hause. 5 Minuten später bittet er mich nach draußen, da er noch Besuch erwartet. Seine Eltern. Der Vater ist 97 und fährt noch Auto. Die Unterhaltung hat ihm und mir sichtlich Spass gemacht. Jede Unterhaltung hier am Weg hat seine eigene Faszination.
Zum Abschied auf der Straße meint er, wir sollten stolz auf uns (=Einzelgänger, Vorreiter oder was auch immer?) sein. Ich sage ihm zum Abschluss: „Wir sehen uns in Santiago.“ Er hatte vorher gemeint, für ihn käme nur der Weg von der Haustür bis zum Zielort in Santiago in Frage. Es scheint als hätte er jetzt eine Träne im Auge. Ich fast auch. Toller Typ!

Ich lauf und laufe und laufen … und fliege ;)
Auf einer Anhöhe vor Markt Rettenbach habe ich eine wirklich gute Aussicht. Nur noch 4 km bis zum Ziel. Laufen, laufen. Endlich. Markt Rettenbach. Ortsmitte. Die Kirche heißt „St. Jakobus“. Erstmal ein Zimmer suchen. Dann kann ich da immer noch rein.

Ich komme mit einem jungen Mann ins Gespräch, der gleich seinen Vater zwecks näherer Auskünfte über Unterkünfte dazuholt. Zimmer gibt´s nur in 1 km-Entfernung. Sie rufen freundlicher Weise dort an und teilen mir anschließend mit das alles belegt ist. Na toll! Der Zielort hat keine Betten und der Nachbarort(?) auch nicht?! Was ist das für eine Planung auf dieser Internetseite gewesen?

Wir reden locker weiter. Es stellt sich heraus, dass der Junior ein Naturheilkräutergeschäft betreibt. Er schenkt mir auch gleich ein kleines Fläschen Alpenöl für die Muskelentspannung. Super! Ich erzähle von meinen Krankheiten. Der Vater kennt einen Gesundbeter in der Nähe. Ich nehme die Adresse entgegen. Ich bin zu fertig um gleich noch heute Kontakt aufzunehmen.

Es hilft nichts. Ich muss 2 km weiter nach Engetried zur Unterkunft, abseits des Jakobsweges. Ich bin genervt und lasse jetzt auch die Kirche links liegen.

Nach 2 km stehe ich kurz vor dem Gasthaus, da spricht mich ein einheimischer Mann an. Wir reden angeregt über fernöstliche Glaubenssysteme, Jesus, Meister, alte weise Schriften. Er ist verheiratet und hat 5 Kinder. Nach eigener Aussage hat er es in 6 Jahren „geschafft“. Da ist der Jüngste 18 Jahre und er kann sich ganz der Suche widmen. Seine Frau wird dann wohl einen anderen Weg gehen, meint er.
Hmmm…
Ich sage ihm, er braucht nicht zu suchen. Er ist doch schon da. Er widerspricht mir. Vielleicht in 300-400 Leben ist er erst am Ziel. Jetzt kann man nicht am Ziel sein.

Er fragt mich wer mein Meister ist. Ohaaa?!?! „Wenn da einer ist, dann würde ich sagen Tepperwein!“. Kennt er nicht. Er hat einen indischen. Er fragt, ob er mir über Nacht was zum Lesen ausleihen soll. „ Danke. Ich brauch nichts. Außerdem bin ich viel zu fertig.“ Er erzählt noch ein bisschen von sich. Kommt immer tiefer in die Materie. Er sagt, dass er hin- und hergerissen sei. Ich denke mir: Oh Mann, genau da war ich auch schon.
Er will eigentlich noch was loswerden. Mir wird es zu viel. Sage höflich Danke und verabschiede mich schnell. OK. Er sagt auch Tschau.

In dem Moment wird mir klar, dass ich wohl aus diesem tiefen ungewissen Tal, was er beschreibt schon raus bin. Ja klar. Eben merke ich es erst. Ich habe es hinter mir gelassen. Diese Wahnsinnsphase der Zerissenheit in mir ist seit einiger Zeit vorüber. Mir wird wiedermal bewusst wie genial doch Tepperwein ist. Unglaublich!
Welche Spielchen er da treibt mit den Bewusstseinserweiterungen und wo man hinkommt. Genial. Einfach höchst genial! Da können manche andere asiatischen „Hochheiligen“ echt einpacken ;)

Ich gehe beschwingt ins Gasthaus und bekommen gleich ein Zimmer. Ich bin am Ziel. Ich hab´s gepackt. Ich merke es. Tiefer Frieden erzeugt stilles Glück in mir.

Fazit des Tages: Alles ist gut, so wie es ist!

Hundertmal mit dem Verstand begriffen. Heute mit dem Herzen.

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Samstag, 30. Juni 2007
Tag3-Mi.: Siebnach - Bad Wörishofen
Um ca. 5:30 Uhr wache ich in diesem seltsamen Zimmer auf. Zwischen Maria-Heiligenbildern hängen ausgestopfte Eulen, Tauben, ein Gewehr und ein Fuchsfell. Mir fällt ein, dass ich ab 6:00 Uhr hier bereits Frühstück einnehmen kann. Wäre cool mal so früh loszulaufen. Ich bin um 6:10 Uhr wieder Erste unten und verlasse gegen 6:50 Uhr das Haus in Richtung Waldrand und Wertach.

Es wird wieder heiß werden. Obwohl ich die letzten zwei Tage sehr aufmerksam die Wegbeschreibung lese, verlaufe ich mich auch heute wieder.
Schon nach wenigen Kilometern kommen die Schmerzen. Es wird höllisch für mich. Ich quäle mich tausende Male über den Punkt und breche bei den Raststätten ziemlich zusammen. Nach 10 Minuten bin dann wieder … auf keinen Fall fit, kann aber unter Schmerzen weiterlaufen. Die Schmerzen sind durchweg da. Hüftknochen und Blasen fordern seinen Preis. Außerdem die Stelle vorne im linken Schienbein. Dort sind es die Muskeln und die Bänder, die sehr weh tun.

Es ist wirklich höllisch. Und ich denke ernsthaft ans Aufgeben am Ende des Tages. Das ich diesen Punkt erreiche und das als Sportler, hätte ich nie für möglich gehalten.

Immer an den Rastplätzen raff ich mich nach 10 Minuten wieder auf, weil mich die Leute so verwundert ankucken. Ich hänge wirklich böse rum. Es ist mir aber völlig egal.

Die Schmerzen werden noch schlimmer. Eine lange mühsame Strecke durch die grelle Sonne überlebe ich nur in dem ich aus voller Leidenschaft „Blind Man“ von Aerosmith durch die Gegend brülle. Ich habe das Gefühl der Geist löst sich langsam vom Körper.

„Die Götter würfeln und sie fragen nicht, ob wir mitspielen wollen.“ Der Satz, den ich gestern bei Coelho im Buch gelesen habe, geht mir heute nicht aus dem Kopf.

Ich könnte zu jedem Tag ein Buch schreiben. Man wird zig-male positiv und zig-male negativ an so einem Tag überrascht. Kleinigkeiten eigentlich. Hier aber mehr.
Auf und Ab. Ständig. Grausam und herrlich. Belebend, wohl.

„Kreisverkehr??? Ahhhh.... na sicher… der alte Kreisverkehr!! Na klar!!“ Mein Satz des Tages. In der Karte stand: „…sie erreichen den Kreisverkehr“ oder so ähnlich. Ich war durch den Wald maschiert und hatte die Orientierung völlig verloren. War völlig verzweifelt und sah nur Schilder mit Ortsnamen, die mich nicht weiterbrachten. Als ich nach einer Pause einige Meter nach vorne lief, fiel mir wieder wie aus dem Nichts dieser vom-Himmel-geschickte Kreisverkehr auf ;)

Meine ganz persönliche Erkenntnis des Tages: Es kommt nicht drauf an glücklich zu sein!

Auch heute kurz vor dem Ziel (ca. 1,5 – 2 km) bleibe ich wieder länger an der letzten Rast hängen. Das Café vom Sportflugplatz. Ich lausche gebannt am Nebentisch wo eine scheinbar sehr erfolgreiche Ärztin mit einem Kollegen und ihrem Vater Konversation betreibt. Die Unterhaltung finde ich sehr interessant. Sie berichtetet von einer Reanimation eines Passagiers auf dem Weg nach Mexiko mit Notlandung in Dallas. Sie musste die Notlandung veranlassen und dafür gerade stehen. Wow. Wirklich beeindruckend.
Dann entscheiden sie sich spontan einen Rundflug durchzuführen, zahlen die Starterlaubnis und heben wenig später ab.

Irgendwann komme ich in Bad Wörishofen an. Gegen 14:00 Uhr finde ich ein Zimmer. Gegen 16:00 Uhr kann ich völlig überraschend wieder gehen bzw. rumeiern. Ich besorge mir Fußpflegemittel, bekomme wieder keine Speicherkarte für meine Kamera und schließlich esse ich auch anschließend zu Abend. Achim aus Köln leistet mir Gesellschaft. Wir waren uns schon am Nachmittag zweimal über den Weg gelaufen und er setzt sich freundlicher Weise zu mir als er mich wieder erkennt. Wir unterhalten uns über den Jakobsweg, andere Wanderungen, seinen Beruf, Kindheitserinnerungen und auch über Zufälle.

Beim Tagesbericht schreiben am Abend kommen mir so manche Gedanken. Meine Vorgehensweise bei der Erledigung des Tagespensums. Wie ich die Strecken so angehe, so verlaufen auch die Sachen / Projekte in meinem Leben. Hape schreibt dazu ja auch einiges in seinem Buch. Deswegen komme ich jetzt auch darauf.

Ich mache mich früh immer auf den Weg. Will da irgendwo der erste sein. Vorreiter spielen. Dann trödel ich los, fall auf die Schnauze, bin mega angepisst, nehme neu Anlauf, gebe alles, 100% Vollgas, meister die Sache hervorragend und bleibe dann doch unmittelbar vor dem Ziel stehen.
Fange dann meistens was Neues an. Bei allen Dingen irgendwie.
Die Leute denken: „Was ist denn jetzt los??? Der muss doch nur noch über die Ziellinie gehen. Warum sagt ihm das keiner??? Warum versteht er das nicht? Es ist doch offensichtlich. Ist der irre???“

Für mich ist der Reiz weg. Völlig verflogen. Ich habe gezeigt, dass ich´s kann. Ich habe den Sinn verstanden. Die „Matrix“ durchblickt. Ehrungen und Urkunden brauch ich nicht. Ich hab´s verstanden, das reicht mir. Ende. Neues Thema.

Typisch dass ich jetzt auch ohne Pilgerpass unterwegs bin. Und mein Gewicht, sowie das Gewicht des Rucksackes, den ich mitschleife, habe ich ebenfalls nicht notiert. Wie konnte ich nur???

Genauso jetzt: Aktueller Fall: meine Bewerbung, die z. Zt. läuft. Ich melde mich nicht mehr. Denke schon, dass die sich wundern. Ich kann nicht. Bekomme langsam Angst, dass ich das Ding auch nicht heimkriege.

Aber ich habe es ja jetzt verstanden?! Oder doch nicht!?
Ruf ich morgen mal dort an?

Aber bin ICH das dann? Habe ich mein „Grundfehler“ jetzt eingesehen, der mich vom Erfolg in so viele Dingen trennt. Oder ist das alte Verhaltensmuster einfach mein Naturell, mein Leben, meine Geschichte?

Ich weiß es nicht. Klarheit kommt! Langsam… aber sie kommt!

Am Abend ist Ally so nett und gibt mir nach kurzer telefonischer Anfrage noch Fernreiki, weil es mir nicht so gut geht. Ich sehe vor meinem geistigen Auge die Schmerzen als weißen Staub und Sterne aus meinem Füssen rausfließen.

Morgen mal sehen was es bewirkt hat….

Um 23:30 Uhr steche ich mir noch die jeweils zwei Blasen an beiden Füssen auf, obwohl die Apothekerin mir dringendst davon abgeraten hat. „Sie stechen gar nichts auf!“. Irgendwie muss man aber hier auf sich selber hören und es tut gut, dass dieser Druck sich entladen hat.

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Freitag, 29. Juni 2007
Tag2-Di.: Reinhartshofen - Siebnach
Kurz nach 9:00 Uhr nach dem Frühstück und einem kurzen Abschliedsplausch mit der Wirtin breche ich auf.

Ich denke zunächst es wird kühler als gestern (ca. 25° C), merke aber bald, dass es noch heißer wird. Früh bin ich schon geschwitzt und merke, dass es ein harter Tag werden könnte. Die Knie tun weh, die Füsse eiern und der Muskelkater ist überall in den Beinen bemerkbar.

Ich gebe Gas und will möglichst lange das Tempo durchhalten. Zur Mittagszeit in der grellen Sonne will ich 2/3 des 20km-Tagespensum geschafft haben, irgendwo ordentlich zu Mittag essen und erst am späten Nachmittag dann weiter.

Alle Orte, die ich durchquere sind klein und ähnlich. Es geht bergauf und bergab. Ich durchlaufe Klimmach, Birkach, Hipoldsberg und erreiche endlich Konradshofen. Hatte schon gehört, dass es ein größerer Ort mal wieder ist. Endlich. Irgendwas mal wieder, wo man das Notwendigste kaufen kann. Das ist mehr als ungewöhnlich hier am Weg. In den kleinen Orten gibt es nämlich rein gar nichts. Und das ist furchtbar frustrierend.

Meine Kamera brauchte jetzt auch dringend mal einen neuen Speicherstick, damit ich weiter Bilder machen kann. Ich probiere es mal mit einer Bestellung beim Universum. Bei Hape und Bärbel Mohr klappt das doch auch andauernd. Ich wünsche mir also ein Elektrogeschäft.

Ich laufe noch einige Meter und siehe da…. Ich frage in Konradshofen angekommen nach so einem und sie weisen mir den Weg dorthin. Das Geschäft liegt sogar direkt auf meiner Strecke. Wunderbar!

Ich gehe rein und verlange einen SD-Stick. „Oh, so was haben wir nicht vorrätig. Ich könnte bis morgen einen besorgen.“ Na toll! Warum wünsche ich mir auch ein E-Shop anstatt gleich einen Stick!?

10 km habe ich jetzt ungefähr. Es ist die Hälfte. Und es ist hier ein größerer Ort. Theoretisch sollte ich das ausnutzen um vernünftig zu Mittag zu essen. Aber da es zu heiß ist, muss ich umplanen. Ich will möglichst viel Wegstrecke hinter mir haben, wenn ich Mittag mache.

Jetzt wird es hart. Richtig hart. Ein Örtchen nach dem nächsten kommt, hat aber nichts groß zu bieten. Die Sonne brennt immer mehr und ich konzentriere mich auf meinen inneren Motor. Nur vorwärts. Ich eiere. Schwitze. Waldwege sind heute selten. Merke wie meine empfliche Haut immer roter wird. Pausiere nun immer mal kurz. Zwei- bis dreimal immer so 5-10 Minuten.

Ich bin erschöpft. Aber in 5 Minuten Pause fließt erstaunlich viel neue Energie in den Körper und es geht mühsam weiter. Die Sonne ist unerbittlich. Endlich sehe ich nach einer Pause in der Kapelle der Heiligen Familie wieder ein einem Waldstück entgegen.

Ups. Dort steht mitten auf dem Weg am Waldeingang in 50 Meter Entfernung ein Fuchs und blickt zu mir runter. Tun die was? Ist Tollwutgefahr? Ich laufe weiter. Er dreht sich cool um und hoppelt links ins hohe Gebüsch.
Mir ist nicht einerlei. Ich nehme einen festen Stock vorsichtshalber mit als ich in den Wald hineinlaufe und passiere höchst aufmerksam die Stelle, wo er verschwand. Er passiert nichts. Gut. Nach einigen Meter werfe ich den Stock wieder beiseite.

Später überquert auch ein scheues Reh meine Bahn, kuckt mich an und verschwindet fluchs wieder. Die kleinen Käffer nerven mich ohne Ende. Kann man sich nicht mal mehr auf die Zielankünfte freuen, sondern muss bangen, ob Zimmer überhaupt da sind und man was ordentliches zu Essen bekommt. Bah….! Ich bin mega genervt. Schraube meine Erwartungen auf ein Minimum zurück.

Im Endeffekt sind einfach nur Ruhe und Wasser ein sehr hohes Gut hier geworden. Und wenn ich das heute bekomme bin ich auch irgendwie zufrieden. Im Ernst. Ich bin gequälter als es sich hier vielleicht anhört.

Da ich nichts finde, beiße ich jetzt auf die Zähne und will komplett durchlaufen, da entdecke ich 1,5 km vor dem Zielort in Kirchsiebnach einen Biergarten.
Pures Glück. Wie aus dem Nichts.
Und hier gibt´s sogar Schatten und warme Gerichte. Wunderbar. Ein absoluter Traum. Gegen 13.30 Uhr führe ich mir sehr genussvoll einen Strammen Max, Salatteller und Bluna zu. Ich kann nicht immer nur Wasser trinken.

Nur 1,5 km bis zum Ziel und hier gibt´s einfach alles. Wer weiß was am Zielort mich erwartet. Ich bleibe solange wie möglich hier. Zwischenzeitlich überlege ich sogar dort zu übernachten, um kein Risiko einzugehen. Doch ich bekomme die Auskunft, dass leider alles belegt ist. Mist! Wäre ja zu schön gewesen.

Irgendwie gerät man hier ständig vom Himmel zur Hölle und zurück. Wenn man was erwartet kommt es garantiert nicht. Dann, wenn man am völlig am Boden ist, ist immer was da was einem wieder aufbaut. Es ist seltsam.

Ich verweile trotzdem noch weiter dort. Ich bin zu fertig und die Sonne brennt unvermindert heftig. Eine Männerfahrradgruppe am Nebentisch kommt mit mir ins Gespräch. Oberflächlich.
Dann komme ich mit einem „Künstler“ zusammen. Er macht vom Helikopter Großbildaufnahmen aus der Luft von verschiedenen Grundstücken und Orten. Außerdem ist er Designer und wie ich leicht spirituell veranlagt.

Als wir uns begrüßten, sagte er müsse wieder an die Arbeit. Trotzdem unterhalten wir uns gute 30 Minuten und tauschen auch Adressen aus. Eine sehr anregende und interessante Unterhaltung. Eigentlich hätte mich das Designer-Thema noch mehr interessiert, aber wir kamen nicht mehr drauf.

Ich lese an einem schattigen Platz im Biergarten das Coelho-Buch weiter bis Seite 100. Um 17.30 Uhr endlich schleppe ich mich wie auf rohen Erbsen die letzten 1,5 km geradeaus nach Siebnach. Da meine Arme schon feuerrot sind laufe ich sogar langärmig und die Leute kucken ein wenig doof, da es doch sehr sehr heiß noch ist.

Die Kirche interessiert mich nicht mehr. Ich will sofort zur Gaststätte. Finde sie gleich. Zimmer sind frei! Hurra! Gut ausgestattet! Prima! Irgendwie der Wahnsinn! Dieses ständige auf und ab. Achterbahn pur. Man genießt so viele Kleinigkeiten.

Ich esse ein leckeres Wiener Schnitzel, dusche und habe auch meinen ersten Waschtag. Eine Wäschespinne im Hinterhof ließ mir keine Wahl. Wann so was da ist, muss man es ausnutzen. Anders funktioniert es hier wohl nicht.
Der absolute Knaller ist jetzt, dass ich einen Fernseher am Zimmer habe und Dienstag Abend ist. Ich kucke mir tatsächlich auf dem Jakobsweg meine Lieblingssendung auf VOX die „Gilmore Girls“ an. Wirklich purer Luxus *lach*. Das Ganze passt aber schon nicht so ganz zusammen. Als ich ausschalte, fühle ich mich wieder wie in eine andere Welt zurück versetzt. Ein heftiger Spagat.

Ich habe die ersten kleinen Blasen und mein Hüftgestell eiert schmerzhaft und unsynchron. Hoffentlich kann ich morgen früh laufen. Es ist 22:25 Uhr, schön müde falle ich ins Bett. Gute Nacht!

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