Samstag, 30. Juni 2007
Tag3-Mi.: Siebnach - Bad Wörishofen
Um ca. 5:30 Uhr wache ich in diesem seltsamen Zimmer auf. Zwischen Maria-Heiligenbildern hängen ausgestopfte Eulen, Tauben, ein Gewehr und ein Fuchsfell. Mir fällt ein, dass ich ab 6:00 Uhr hier bereits Frühstück einnehmen kann. Wäre cool mal so früh loszulaufen. Ich bin um 6:10 Uhr wieder Erste unten und verlasse gegen 6:50 Uhr das Haus in Richtung Waldrand und Wertach.

Es wird wieder heiß werden. Obwohl ich die letzten zwei Tage sehr aufmerksam die Wegbeschreibung lese, verlaufe ich mich auch heute wieder.
Schon nach wenigen Kilometern kommen die Schmerzen. Es wird höllisch für mich. Ich quäle mich tausende Male über den Punkt und breche bei den Raststätten ziemlich zusammen. Nach 10 Minuten bin dann wieder … auf keinen Fall fit, kann aber unter Schmerzen weiterlaufen. Die Schmerzen sind durchweg da. Hüftknochen und Blasen fordern seinen Preis. Außerdem die Stelle vorne im linken Schienbein. Dort sind es die Muskeln und die Bänder, die sehr weh tun.

Es ist wirklich höllisch. Und ich denke ernsthaft ans Aufgeben am Ende des Tages. Das ich diesen Punkt erreiche und das als Sportler, hätte ich nie für möglich gehalten.

Immer an den Rastplätzen raff ich mich nach 10 Minuten wieder auf, weil mich die Leute so verwundert ankucken. Ich hänge wirklich böse rum. Es ist mir aber völlig egal.

Die Schmerzen werden noch schlimmer. Eine lange mühsame Strecke durch die grelle Sonne überlebe ich nur in dem ich aus voller Leidenschaft „Blind Man“ von Aerosmith durch die Gegend brülle. Ich habe das Gefühl der Geist löst sich langsam vom Körper.

„Die Götter würfeln und sie fragen nicht, ob wir mitspielen wollen.“ Der Satz, den ich gestern bei Coelho im Buch gelesen habe, geht mir heute nicht aus dem Kopf.

Ich könnte zu jedem Tag ein Buch schreiben. Man wird zig-male positiv und zig-male negativ an so einem Tag überrascht. Kleinigkeiten eigentlich. Hier aber mehr.
Auf und Ab. Ständig. Grausam und herrlich. Belebend, wohl.

„Kreisverkehr??? Ahhhh.... na sicher… der alte Kreisverkehr!! Na klar!!“ Mein Satz des Tages. In der Karte stand: „…sie erreichen den Kreisverkehr“ oder so ähnlich. Ich war durch den Wald maschiert und hatte die Orientierung völlig verloren. War völlig verzweifelt und sah nur Schilder mit Ortsnamen, die mich nicht weiterbrachten. Als ich nach einer Pause einige Meter nach vorne lief, fiel mir wieder wie aus dem Nichts dieser vom-Himmel-geschickte Kreisverkehr auf ;)

Meine ganz persönliche Erkenntnis des Tages: Es kommt nicht drauf an glücklich zu sein!

Auch heute kurz vor dem Ziel (ca. 1,5 – 2 km) bleibe ich wieder länger an der letzten Rast hängen. Das Café vom Sportflugplatz. Ich lausche gebannt am Nebentisch wo eine scheinbar sehr erfolgreiche Ärztin mit einem Kollegen und ihrem Vater Konversation betreibt. Die Unterhaltung finde ich sehr interessant. Sie berichtetet von einer Reanimation eines Passagiers auf dem Weg nach Mexiko mit Notlandung in Dallas. Sie musste die Notlandung veranlassen und dafür gerade stehen. Wow. Wirklich beeindruckend.
Dann entscheiden sie sich spontan einen Rundflug durchzuführen, zahlen die Starterlaubnis und heben wenig später ab.

Irgendwann komme ich in Bad Wörishofen an. Gegen 14:00 Uhr finde ich ein Zimmer. Gegen 16:00 Uhr kann ich völlig überraschend wieder gehen bzw. rumeiern. Ich besorge mir Fußpflegemittel, bekomme wieder keine Speicherkarte für meine Kamera und schließlich esse ich auch anschließend zu Abend. Achim aus Köln leistet mir Gesellschaft. Wir waren uns schon am Nachmittag zweimal über den Weg gelaufen und er setzt sich freundlicher Weise zu mir als er mich wieder erkennt. Wir unterhalten uns über den Jakobsweg, andere Wanderungen, seinen Beruf, Kindheitserinnerungen und auch über Zufälle.

Beim Tagesbericht schreiben am Abend kommen mir so manche Gedanken. Meine Vorgehensweise bei der Erledigung des Tagespensums. Wie ich die Strecken so angehe, so verlaufen auch die Sachen / Projekte in meinem Leben. Hape schreibt dazu ja auch einiges in seinem Buch. Deswegen komme ich jetzt auch darauf.

Ich mache mich früh immer auf den Weg. Will da irgendwo der erste sein. Vorreiter spielen. Dann trödel ich los, fall auf die Schnauze, bin mega angepisst, nehme neu Anlauf, gebe alles, 100% Vollgas, meister die Sache hervorragend und bleibe dann doch unmittelbar vor dem Ziel stehen.
Fange dann meistens was Neues an. Bei allen Dingen irgendwie.
Die Leute denken: „Was ist denn jetzt los??? Der muss doch nur noch über die Ziellinie gehen. Warum sagt ihm das keiner??? Warum versteht er das nicht? Es ist doch offensichtlich. Ist der irre???“

Für mich ist der Reiz weg. Völlig verflogen. Ich habe gezeigt, dass ich´s kann. Ich habe den Sinn verstanden. Die „Matrix“ durchblickt. Ehrungen und Urkunden brauch ich nicht. Ich hab´s verstanden, das reicht mir. Ende. Neues Thema.

Typisch dass ich jetzt auch ohne Pilgerpass unterwegs bin. Und mein Gewicht, sowie das Gewicht des Rucksackes, den ich mitschleife, habe ich ebenfalls nicht notiert. Wie konnte ich nur???

Genauso jetzt: Aktueller Fall: meine Bewerbung, die z. Zt. läuft. Ich melde mich nicht mehr. Denke schon, dass die sich wundern. Ich kann nicht. Bekomme langsam Angst, dass ich das Ding auch nicht heimkriege.

Aber ich habe es ja jetzt verstanden?! Oder doch nicht!?
Ruf ich morgen mal dort an?

Aber bin ICH das dann? Habe ich mein „Grundfehler“ jetzt eingesehen, der mich vom Erfolg in so viele Dingen trennt. Oder ist das alte Verhaltensmuster einfach mein Naturell, mein Leben, meine Geschichte?

Ich weiß es nicht. Klarheit kommt! Langsam… aber sie kommt!

Am Abend ist Ally so nett und gibt mir nach kurzer telefonischer Anfrage noch Fernreiki, weil es mir nicht so gut geht. Ich sehe vor meinem geistigen Auge die Schmerzen als weißen Staub und Sterne aus meinem Füssen rausfließen.

Morgen mal sehen was es bewirkt hat….

Um 23:30 Uhr steche ich mir noch die jeweils zwei Blasen an beiden Füssen auf, obwohl die Apothekerin mir dringendst davon abgeraten hat. „Sie stechen gar nichts auf!“. Irgendwie muss man aber hier auf sich selber hören und es tut gut, dass dieser Druck sich entladen hat.

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